In Parchim, einer kleinen Stadt Deutschlands, stehen derzeit die Erinnerungen an eine entscheidende Wende in der Geschichte des Landes im Mittelpunkt. Zwei junge Männer wurden kürzlich dabei gesehen, wie sie große Säcke aus dem Keller des Stasi-Gebäudes in der Brunnenstraße trugen. Diese Säcke enthalten hunderte Akten, die kurz nach der friedlichen Revolution 1989 von der Stasi verbrannt werden sollten. Das Stadtmuseum in der Kulturmühle hat nun eine neue Ausstellung mit dem Titel „Parchim 89“ eröffnet, die den Verlauf und die Bedeutung dieser Ereignisse in der Region beleuchtet.
Wolfgang von Rechenberg, ein Diakon der St. Mariengemeinde, war eine Schlüsselfigur bei den Protesten in Parchim und hat aktiv dazu beigetragen, diese wertvollen Dokumente für die Nachwelt zu bewahren. „Ich wusste, dass wir handeln müssen, insbesondere nachdem ich von dem Tian’anmen-Massaker gehört hatte“, erinnert sich der Theologe an seinen Antrieb, die Menschen zusammenzubringen und gegen die Unterdrückung zu kämpfen.
Erinnerungen an die Wende
Die Ausstellung im Stadtmuseum ist nicht nur eine Präsentation von Fotografien und Dokumenten, sondern auch eine Erzählung von Mut und Entschlossenheit. Benjamin Kryl, der Leiter des Stadtmuseums, betont die Relevanz der Erinnerungen an die Wende: „Wir möchten diese spezielle Zeit für die kommenden Generationen greifbar machen.“ Die Aufnahmen, viele davon vom verstorbenen Fotografen Willy Voß, fangen die Atmosphäre und die Emotionen der Demonstrationen ein und zeigen, wie die Revolution die alte Ordnung in Parchim veränderte.
Die Ausstellung ist Augenzeuge von vielen individuellen Geschichten, die die Wende prägten. Annedore und Peter Heidrich waren unter den Tausenden, die an den Protesten teilnahmen. Peter Heidrich lost auf seinen Erfahrungen während seines Wehrdienstes in der Nationalen Volksarmee (NVA): „Der Druck war überwältigend, und ich konnte nicht länger tatenlos zusehen.“ Auch wenn die Erinnerungen schmerzhaft sind, haben sie die Kraft, die Geschichte neu zu erzählen.
Wandel der Gesellschaft
Benjamin Kryl warnt jedoch, dass die Revolution nie wirklich abgeschlossen sein könnte. „Es gibt nach wie vor Vorurteile, die wir überwinden müssen, um eine einheitliche Gesellschaft zu schaffen“, erklärt er. Der Dialog über die Vergangenheit und die Aufarbeitung der Erlebnisse sind essenziell, um die Demokratie und den Frieden zu bewahren.
Die Fotoausstellung wird bis zum 17. November zu sehen sein, allerdings bleibt die Kulturmühle zwischen dem 2. und 6. September aufgrund von Reinigungsarbeiten geschlossen. Zudem sind zwei besondere Veranstaltungen geplant: Am 21. September gibt es einen Rückblickabend mit Zeitzeugen, und am 11. Oktober wird der Film „Die Zeit ist aus den Fugen“ von Christoph Rüter gezeigt, der einen weiteren Blick auf das Geschehen um die Wende bietet.
Mit der Ausstellung „Parchim 89“ wird eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart geschlagen, die nicht nur den Weg zur Freiheit dokumentiert, sondern auch zur Reflexion über die weiteren Herausforderungen unserer Gesellschaft anregt.
– NAG