Versprechen eines sauberen und nahezu unerschöpflichen Energieträgers – das ist das Ziel des Kernfusionsexperiments „Wendelstein 7-X“ in Greifswald. Nach umfangreichen Wartungs- und Verbesserungmaßnahmen startet das Projekt nun in eine neue experimentelle Phase. Kritiker zweifeln zwar an den realistischen Chancen der Kernfusion, doch die Forscher sind entschlossen, weiter voranzukommen.
Mit der Inbetriebnahme der Anlage wurden bereits in der vergangenen Experimentierphase beachtliche Fortschritte erzielt. Frühere Versuche in 2023 haben gezeigt, dass es möglich ist, ein Plasma, das für die Kernfusion unerlässlich ist, mehrere Minuten lang stabil und bei extrem hohen Temperaturen aufrechtzuerhalten. Die technischen Verbesserungen, die nun implementiert wurden, sollen es ermöglichen, diese Temperaturen weiter zu steigern und damit näher an die für die Kernfusion erforderlichen 100 Millionen Grad zu kommen.
Vorbereitungen für den Raketenstart
Die intensive Vorbereitung auf die neue Phase kann mit einem Raketenstart verglichen werden. Dabei waren nicht nur technische Anpassungen erforderlich, sondern auch eine präzise Kühlung der speziellen Magneten, die das Plasma kontrolliert halten sollen. Diese Kühlung sorgt dafür, dass die Magneten auf Temperaturen von minus 270 Grad heruntergekühlt werden.
Eine Vielzahl von Experimentiervorschlägen sind dazu eingegangen. Aus mehr als 740 Vorschlägen wurden 200 als besonders vielversprechend eingestuft und für die nächstgelegenen Versuche ausgewählt. Dabei sind etwa 100 Forscher und Ingenieure vor Ort aktiv, unterstützt von bestehenden internationalen Teams aus Europa, den USA und Japan, die während der Experimentierphase hinzukommen.
Die großen Ambitionen des Projekts
„Wendelstein 7-X“ gilt als eine der weltweit führenden Anlagen zur Erzeugung von heißem Plasma über längere Zeiträume. Mit der bevorstehenden Experimentierphase im Visier, möchten die Forscher eine Spitzenstellung einnehmen und mehr über die Kernfusion lernen. Geplant sind Experimente bis Dezember und erneut von Februar bis Mai, gefolgt von einer Wartungsphase, bevor man an das langfristige Ziel geht: eine Betriebsdauer von bis zu einer halben Stunde zu erreichen, was ein dauerhafter Betrieb simulieren würde. Dies könnte entscheidende Grundlagen für künftige Kernfusionskraftwerke legen.
Jedoch stehen diesem ambitionierten Vorhaben auch kritische Stimmen gegenüber. Die bisherigen Kosten für „Wendelstein 7-X“ übersteigen bereits eine Milliarde Euro. Skeptiker argumentieren, dass die Kernfusion nicht nur viel zu teuer ist, sondern auch zu spät kommen könnte, um nennenswerte Auswirkungen auf die Energiegewinnung zu haben. Gegen diese Bedenken wird betont, dass der Umbau des Energiesystems eine große Herausforderung darstellt, die nicht mit der Erreichung der Treibhausgasneutralität bis 2045 abgeschlossen ist. Die Notwendigkeit für weitere Energiequellen wird stetig steigen, und die Kernfusion könnte eine wertvolle Option darstellen, wenn sie rechtzeitig erforscht wird.
– NAG