Pforzen im Allgäu hat erneut für Furore in der Paläontologie gesorgt. In der sogenannten «Hammerschmiede» entdeckten Forscher einen Ur-Verwandten des modernen Pandas, was bedeutende Rückschlüsse auf die Evolution dieser Tiere ermöglicht. Nachdem bereits 2019 die Skelettreste des Menschenaffen «Udo» aus dieser Region bekannt wurden, stellt der jüngste Fund einen weiteren spektakulären Meilenstein in der Forschung dar.
Das internationale Team, geleitet von Madelaine Böhme vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen, hat nun den Bären Kretzoiarctos beatrix identifiziert. Diese Tierart zählt zu den ältesten Vorfahren des heutigen Großen Pandas. Besonders aufschlussreich sind die Zahnformen dieses Bären. Sie zeigen bemerkenswerte Ähnlichkeiten zu jenen des modernen Großen Pandas, dessen Ernährung fast ausschließlich aus Bambus besteht. Der Ur-Panda hingegen hatte ein breiteres Spektrum an Nahrung, das sowohl pflanzliche als auch tierische Bestandteile umfasste.
Ernährungsstudien und Evolution
Diese Erkenntnisse haben weitreichende Implikationen. Nikolaos Kargopoulos, der Erstautor der Studie, erläuterte, dass der Ur-Panda im Vergleich zu heutigen Braunbären kleiner war, jedoch trotzdem über 100 Kilogramm wog. Historisch gesehen gehören die heutigen Großen Pandas zu den Fleischfressern. «Trotz dieser Zugehörigkeit haben sie sich voll und ganz auf pflanzliche Nahrungsaufnahme spezialisiert», erklärte Kargopoulos. Der Ur-Verwandte des Pandas war also ein Generalist, dessen Nahrungsaufnahme erst im Verlauf der Evolution zunehmend spezialisiert wurde.
Die Forscher berichten zudem von weiteren beeindruckenden Funden aus der «Hammerschmiede». Über 27 verschiedene Arten von Raubtieren wurden hier identifiziert, was die Region zu einem einzigartigen Forschungsort macht. Böhme hebt hervor, dass es kaum einen modernen Lebensraum gibt, der mit einer derartigen Artenvielfalt aufwarten kann. «Das Ökosystem musste außergewöhnlich gut funktionieren», fasst sie zusammen. Bemerkenswert ist, dass Arten nebeneinander existierten, obwohl sie ähnliche ökologische Nischen besetzten.
Der Ort Pforzen ist ein Hotspot der Paläontologie. Seit 2011 hat das Forschungsteam dort mit großer Intensität gearbeitet und dabei Tausende von Fossilien sowie viele Pflanzenarten entdeckt. Besonders hervorzuheben sind die Funde des Menschenaffen «Udo», die das Verständnis über die Entwicklung des aufrechten Gangs neu überdenken lassen.
Insgesamt zeigt dieser neueste Fund, dass die Erforschung der Evolution und der Artenvielfalt in historischen Ökosystemen von entscheidender Bedeutung ist. Die Entwicklung des Ur-Pandas und seine Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Nahrunsgressourcen liefern wertvolle Einsichten in die Evolution der Bärenfamilie. Dies könnte auch in Zukunft neue Ansätze für den Schutz und das Verständnis der heutigen Pandaarten ermöglichen, die in ihren Lebensräumen stark gefährdet sind. Weitere Informationen über diese bedeutenden Entwicklungen sind im Fachblatt «Papers in Paleontology» veröffentlicht worden, wie vom Forschungsteam berichtet wurde.