In Hamburg fand am vergangenen Samstag ein Sommerfest der Linkspartei statt, bei dem Jan van Aken, ein Anwärter auf den Parteivorsitz, erstmals nach seiner Kandidatur auftrat. Die Veranstaltung war von einer fröhlichen Atmosphäre geprägt, mit Ständen, die Bratwürste und Kuchen anboten, und einer Hüpfburg für Kinder.
HAMBURG taz | Über die small stage, die eigentlich eine Ladefläche eines kleinen LKW war, schauten die Besucher zu van Aken, der mit seinen 1,96 Metern Körpergröße wirklich etwas klein wirkte. Trotz der etwas unglücklichen Größe war van Aken voller Energie und Dank seiner kommunikativen Art gelang es ihm, mit den Anwesenden in Kontakt zu treten. „Aber immerhin hören könnt ihr mich ja“, rief er, während sich die Sonne über den Carl-von-Ossietzky-Platz neigte.
Van Aken wurde zu diesem Fest als Redner eingeladen, um über Frieden zu sprechen. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte er gerade verkündet, im Oktober auf dem Bundesparteitag für den Parteivorsitz kandidieren zu wollen. Er ist nicht allein; auch Ines Schwerdtner, eine 35-jährige Politikerin, hat ihre Kandidatur bekannt gegeben. Dieser Auftritt in Hamburg war von großer symbolischer Bedeutung für ihn, da er ursprünglich aus der Region kommt und hier viele Unterstützung finden konnte.
Personaler Auftrieb und die Herausforderungen der Partei
„Ich bin voll on fire und habe richtig Lust auf den Parteivorsitz“, erklärte van Aken in einem Gespräch mit der taz. Trotz der entspannten Stimmung bei den Hamburger Genossen ist die Situation der Partei bundesweit kritisch. Die Hamburger Linke habe sich bislang erfolgreich aus den internen Kontroversen zurückgehalten und könne sich auch auf die Ergebnisse der Kommunalwahlen im Juni stützen, bei denen sie knapp zehn Prozent der Stimmen erhielt. Doch im Rest Deutschlands schafft die Linke es nicht, ähnliche Erfolge vorzuweisen.
„Die ersten 30 Jahre meines Lebens gab es keine relevante linke Partei in Deutschland – und das war nicht gut“, äußerte van Aken. Er ist sich bewusst, dass er nicht allein die Partei retten kann; vielmehr glaubt er an eine Zusammenarbeit. „Wir müssen als Linke unsere Energien bündeln und uns auf einige konkrete Themen, etwa Miete oder Gesundheit, konzentrieren. Dann können wir auch wieder gewinnen“, fügte er hinzu.
Die Herausforderung, die vor ihm liegt, ist nicht zu unterschätzen. Van Aken beschreibt sein Lebensmotto mit den Worten: „Die Welt verbessern und dabei Spaß haben!“ Und auch wenn er befürchtet, dass dieser Spaß als Parteivorsitzender möglicherweise etwas zu kurz kommen könnte, bleibt er optimistisch, vor allem durch die vielen neuen, jungen Mitglieder, die nach der internen Spaltung der Bundespartei eintraten.
Ein zentrales Ziel seiner Kandidatur scheint es zu sein, die Linke von ihren internen Streitigkeiten wegzulenken. Themen wie Waffenlieferungen an die Ukraine und andere kontroverse Fragen könnten an Bedeutung gewinnen, doch van Aken möchte den Fokus auf die Diplomatie legen: „Wir müssen uns die Frage stellen: Wie kommen wir zur Diplomatie?“
Der Weg der Differenzierung
Seine differenzierte Sichtweise erhielt bei den Anwesenden in Hamburg Zuspruch. Die anwesenden Genossinnen und Genossen applaudierten, als van Aken dies betonte. Doch ob diese Haltung auch über die Hamburger Grenzen hinaus gehört wird, bleibt abzuwarten. In einer Zeit, in der einfache Antworten oft gefordert werden, setzt er auf komplexe Lösungen und betont: „Gerade bei Fragen von Krieg und Frieden gibt es keine einfachen Antworten. Ich stehe dafür, dass es manchmal komplexe Antworten braucht.“
Mit einem klaren Plan und einer positiven Einstellung geht van Aken in die politische Zukunft. Ob er den Wandel herbeiführen kann, den die Linkspartei dringend benötigt, wird sich zeigen müssen, aber seine Entschlossenheit, hier eine Rolle zu spielen, ist unübersehbar.
Hintergrundinformationen zur Linken in Deutschland
Die Partei Die Linke hat in den letzten Jahren mit erheblichen Herausforderungen zu kämpfen. Gegründet 2007 als Fusion von WASG und der PDS, hat sie sich als eine Kraft positioniert, die soziale Gerechtigkeit und eine umfassende soziale Sicherheit propagiert. Während die Partei in der Anfangszeit relativ schnell an Bedeutung gewinnen konnte, hat sich seit 2019 eine deutliche Abwärtsspirale abgezeichnet. Die Bundestagswahl 2021 brachte ein historisch schlechtes Ergebnis, mit nur 4,9 Prozent der Stimmen.
Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig. Zum einen sind interne Konflikte, insbesondere die Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen politischen Flügeln, ein zentrales Problem. Der Streit über die Ausrichtung der Partei und die Frage, wie mit militärischen Interventionen umgegangen werden soll, hat die öffentliche Wahrnehmung der Linken stark beeinflusst. Zum anderen hat der Aufstieg anderer linker und progressiver Strömungen innerhalb der politischen Landschaft zu einer Konkurrenzsituation geführt, die der Linken stark zugesetzt hat. Dies gilt insbesondere für die Grünen, die sich in zahlreichen politischen Themen als die bevorzugte soziale und ökologische Kraft etablieren konnten.
Im Gegensatz dazu hat die Linke in einigen Regionen, wie Hamburg, relativ stabil abgeschnitten. Dies ist nicht zuletzt auf eine starke lokale Struktur zurückzuführen, die sich über viele Jahre hinweg entwickelt hat. Hier scheint die Verbindung zur Wählerschaft durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit und lokal orientierte Politik gestärkt worden zu sein.
Aktuelle Statistiken zur Wählerunterstützung
Eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem September 2023 zeigt, dass Die Linke bundesweit lediglich 5 Prozent der Stimmen gewinnen würde, falls am kommenden Sonntag gewählt werden würde. Dies steht im Vergleich zu den vorherigen Umfragen, wo die Partei zwischen 6 und 8 Prozent schwankte. Diese Umfrage macht deutlich, dass das Vertrauen in die Linke weiter abnimmt und dass die Parteiführung dringend Maßnahmen ergreifen muss, um die Unterstützung in der Wählerschaft zu stabilisieren.
Zusätzlich hat die Forschungsgruppe Wahlen festgestellt, dass junge Wähler zunehmend andere politische Alternativen, insbesondere in den Grünen, suchen. Während im Jahr 2017 noch etwa 38 Prozent der Wähler unter 30 Jahren Die Linke unterstützten, sind es mittlerweile nur noch etwa 20 Prozent. Diese demografische Verschiebung stellt besonders große Herausforderungen für die Partei dar, da sie dringend die jüngere Generation erreichen muss, um langfristig bestehen zu können.
Darüber hinaus zeigt eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), dass soziale Themen, insbesondere Mietpreise und Gesundheitsversorgung, nach wie vor zentrale Anliegen der Wählerschaft sind. Hierbei könnte van Akens Ansatz, sich auf konkrete Themen zu konzentrieren, entscheidend für die zukünftige Wählergewinnung sein. Erforderlich wäre jedoch ein klarer und ansprechender Plan zur Lösung dieser Probleme, um das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen.
– NAG