Im Norddeutschen Bahnnetz kam es kürzlich zu einem massiven Verkehrschaos, angeheizt durch mehrere Zwischenfälle, die die Mobilität zwischen Hamburg und Dänemark stark beeinträchtigten.
Der Unfall am Freitag war blamabel: Ein Elektrobus passierte eine Tiefgarage am Bahnhof Elmshorn und verursachte durch einen Brand herbe Schäden an den Zugleitungen. Diese Panne führte dazu, dass alle Züge zwischen Hamburg und Kiel für eine längere Zeit eingestellt wurden. Viele Pendler mussten auf Ersatzverbindungen der Nordbahn zurückgreifen, die nur einige der umliegenden Stationen erreichten. Doch das Chaos war damit noch nicht vorbei. Ein weiterer Zwischenfall, bei dem ein Gärtner beim Arbeiten an der Strecke ein wichtiges Kabel durchtrennte, sorgte dafür, dass sogar die Ersatzverkehre für mehrere Stunden zum Stillstand kamen.
Die starren Verbindungen und die verzweifelte Lage riefen schnelles Handeln hervor: Ab Dienstag konnten die Züge endlich wieder fahren, jedoch warnte Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) vor der Verletzlichkeit des deutschen Bahnsystems. Seiner Meinung nach zeigt dieser Vorfall, dass es an der notwendigen Resilienz, also der Widerstandskraft in Krisensituationen, fehlt. Besonders angesichts des zunehmenden Reiseverkehrs durch Kreuzfahrtschiffe in Kiel und dem Ferienende in anderen Bundesländern war die Anfälligkeit des Systems bemerkbar.
Systematische Missstände im Bahnsystem
Die Probleme gehen jedoch weit über einen einmaligen Vorfall hinaus. Experten kritisieren, dass seit Jahren an nötigen Infrastrukturmaßnahmen und der Erhaltung von Ausweichmöglichkeiten gespart werde. Dies betreffe insbesondere die eingleisige Verbindung zwischen Neumünster und Heide, die Sylt erschließt. Der Nahverkehrsexperte Dieter Doege stellte fest, dass über die letzten drei Jahrzehnte wichtige Ersatzlösungen gestrichen wurden, was nun als großes Problem wahrgenommen wird.
Joachim Holstein von der Bürgerbahn Denkfabrik ergänzt, dass viele Weichen und Überholgleise entfernt wurden, wodurch das Streckennetz nicht mehr ausreichend flexibel ist, um plötzliche Störungen zu bewältigen. „Das fällt uns jetzt auf die Füße“, lautet sein Fazit über die aktuelle Situation. Die unzureichende Vorbereitung auf Störungen zeigt auf schmerzhafte Weise die Schwächen des Systems.
Politische Reaktionen und Lösungen
Die Diskussion um strukturierte Ausbaumaßnahmen nimmt an Fahrt auf. Madsen fordert den zügigen Ausbau der benötigten Strecken, der mit geschätzten Kosten von etwa 200 Millionen Euro zu Buche schlägt, wobei der größte Teil vom Bund getragen werden sollte. „Wichtig ist, dass die Bahn dieses Projekt personell umsetzt, damit der Ausbau spätestens 2030 abgeschlossen ist“, unterstreicht der Minister die Dringlichkeit.
Die Hamburger Initiative „Prellbock Altona“ sieht die Probleme jedoch noch umfassender. Die Gruppe kritisiert, dass trotz jahrelanger Diskussion wenig Fortschritt beim Ausbau der Bad Oldesloe-Neumünster-Verbindung gemacht wurde, während gleichzeitig Ressourcen in nicht zielführende Großprojekte, wie die Verlegung des Fernbahnhofs Altona, investiert werden. Die Medaille hat zwei Seiten: Diese Verlegung könnte zu gravierenden Kapazitätsengpässen führen und zusätzliche Milliardenkosten verursachen, die eine Verzögerung wichtiger Infrastrukturprojekte zur Folge haben.
Das aktuelle Bahnchaos in Norddeutschland könnte also nicht nur ein kurzfristiger Störfall sein, sondern auch ein Weckruf für Politiker in Berlin, um Prioritäten bei der Bahnplanung neu zu setzen. Langfristig könnte das System am Ende von diesen notwendigen Veränderungen profitieren, falls endlich ein Bewusstsein für die schwächsten Glieder im Verkehrsniveau geschaffen wird. Die Hintergründe zu diesem Vorfall sind in einem ausführlichen Bericht auf taz.de nachzulesen.