Immer mehr Freizeitangebote setzen auf Digitalisierung, was für viele Jugendliche einfach ist, aber für Senioren oft zur Herausforderung wird. Ein Beispiel dafür ist Gabriele Göbel. Die 73-Jährige wollte am Schweinfurter Baggersee mit ihren Enkeln ein Tretboot mieten, musste jedoch feststellen, dass der Verleihbetrieb seine Bedingungen drastisch geändert hat. Anstatt vor Ort Barzahlung und eine unkomplizierte Lesung zu ermöglichen, setzt der Betreiber nun ausschließlich auf Online-Reservierungen und -Bezahlungen.
Die Änderungen betreffen nicht nur die Art und Weise der Buchung, sondern auch die Stornierungsbedingungen. Laut Gabriele gehe es jetzt nicht nur um eine einfache Bootsmiete. „Wenn man das Boot zu spät zurückbringt, behält man die ganze Kaution ein“, berichtete sie. Überdies seien Stornierungen nicht mehr möglich, und eine Schwimmweste sei ebenfalls nicht im Angebot. Diese Neuerungen machen die Freizeitgestaltung für viele Ältere erheblich komplizierter.
Technologische Hürden und fehlende Flexibilität
Die Seniorin beschreibt ihre Erfahrung als zutiefst frustrierend. Obwohl sie es letztlich schaffte, das Tretboot kurzfrstig online zu buchen, kritisiert sie die „technischen Hürden“, die ältere Menschen ohne Internetkenntnisse oder online Zahlungsmethoden wie PayPal stark benachteiligten. „Es macht mir Sorgen, dass spontane Ausflüge, wie der zum Baggersee, für diejenigen, die kein Handy dabei haben oder nicht vertraut mit diesen Online-Anwendungen sind, unmöglich werden“, sagte sie. Diese Unzufriedenheit zeigt sich nicht nur bei Göbel, sondern auch bei anderen Senioren, die an den See kommen.
Der Betreiber des Verleihs, Frank Seger, hat jedoch seine Gründe für diese Umstellung auf digitales Management. Er erklärt, dass die Schwierigkeiten im Umgang mit der Kaution und verspäteten Rückgaben der Boote in der Vergangenheit häufig zu Konflikten geführt hätten. „Zu oft gab es Diskussionen, weil Gäste die Boote nicht pünktlich zurückbrachten“, sagt Seger. Um dem vorzubeugen, wurde die maximale Mietzeit von einer Stunde auf 45 Minuten verkürzt, allerdings mit einer Karenzzeit von 15 Minuten für verspätete Rückgaben. Wer diese überschreitet, muss mit finanziellen Einbußen rechnen, die von der Kaution abgezogen werden.
Ein weiteres Problem tritt auf, wenn es um die Kaution selbst geht. Während die Buchung online erfolgt, muss die Kaution von 20 Euro für die Boote bargeldlich vor Ort entrichtet werden. Dies führt oft zu Verwirrung und Unverständnis, da viele Gäste kein Bargeld dabeihaben. Frank Seger wusste um die Herausforderungen, die das neue System schafft: „Wir arbeiten an einer Lösung, aber zurzeit lassen die technische Möglichkeiten keine Online-Zahlungen der Kaution zu.“ Die Buchungssoftware sei in dieser Hinsicht ein großes Hindernis.
Die Vorzüge der Digitalisierung
Trotz der Bedenken bezüglich der neuen Buchungsmodalitäten sieht der Betreiber auch klare Vorteile in der digitalen Wende. „Die Menschen können jetzt besser planen und überprüfen, welche Boote verfügbar sind“, erklärt Seger. Diese Flexibilität hat zur Folge, dass mittlerweile auch mehr Menschen am Morgen Tretbootfahrten buchen, als es früher der Fall war. Die Digitalisierung habe die Prozesse vor Ort effizienter gestaltet und den Papierkram reduziert.
Ein weiterer Vorteil ist die erhöhte Sicherheit. Im Falle von Schäden am Boot oder anderen Vorfällen hat der Verleih nun Zugriff auf die genauen Daten der Gäste. „Früher war es unkompliziert, falsche Angaben zu machen“, sagt Seger. Heute sei man durch die digitalen Lösungen besser geschützt. Dennoch ist die Bargeldannahme teuer für die Betreiber, was auch zur Entscheidung für die Online-Zahlungen beigetragen hat.
Ende der Schwimmwesten?
Leider hat der Verleih ebenfalls die Bereitstellung von Schwimmwesten eingestellt, da diese in der Vergangenheit oft gestohlen wurden. „Wir waren nicht verpflichtet, Schwimmwesten anzubieten, und haben uns entschieden, diesen Service einzustellen, um zukünftige Verluste zu vermeiden“, erklärt Seger. Angesichts der Vielzahl an Herausforderungen, die sowohl für Gäste als auch Betreiber nun vorhanden sind, bleibt abzuwarten, wie sich der Verleih künftig weiterentwickeln wird.
Politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Die Veränderungen im Bootsverleih am Schweinfurter Baggersee sind Teil eines größeren Trends, der die Digitalisierung in verschiedenen Branchen betrifft. Dieser Trend wird durch verschiedene politische Maßnahmen und wirtschaftliche Faktoren gefördert. Die Bundesregierung setzt verstärkt auf die Digitalisierung als einen wichtigen Aspekt der nationalen Strategie, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu erhöhen. Diese strategische Ausrichtung wird durch Förderprogramme unterstützt, die darauf abzielen, kleine und mittelständische Unternehmen bei der digitalen Transformation zu begleiten.
Auch im Freizeit- und Tourismussektor sollten Betriebe zunehmend digitale Lösungen implementieren, um effizienter arbeiten zu können und den sich verändernden Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. Die Älteren in der Gesellschaft stellen jedoch eine besondere Herausforderung dar. Ihre weniger technikaffine Einstellung hat in vielerlei Hinsicht Auswirkungen auf die Akzeptanz und den Erfolg der digitalen Angebote. Die Frage, wie man diese Zielgruppe bei der Digitalisierung unterstützt, ist mittlerweile ein wichtiges politisches Thema, das auch Auftrieb für Initiativen zur digitalen Bildung geben könnte.
Erfahrungen anderer Freizeitangebote
Der Bootsverleih am Baggersee in Schweinfurt ist nicht der einzige Freizeitbetrieb, der zu einer Online-Buchung übergegangen ist. Ähnliche Entwicklungen können auch in anderen Bereichen beobachtet werden, beispielsweise bei Freizeitparks und Zoo-Besuchen. Trotz der Vorteile, die Online-Buchungen für die Betreiber mit sich bringen, zeigen Erfahrungen, dass auch hier viele Gäste, insbesondere ältere Personen, vor Herausforderungen stehen.
Ein Beispiel ist der Zoo in Berlin, der auf Online-Ticketing umgestiegen ist. Ruhige Nachmittage, an denen spontane Besuche möglich waren, wurden durch die Pflicht zur Online-Reservierung ersetzt. Auch dort gibt es Bestrebungen, den Nutzern das System näher zu bringen. Diese Veränderungen bedeuten allerdings für viele, dass sie sich auf neue Technologien einstellen müssen, was nicht immer problemlos vonstattengeht. Der 63-jährige Peter Müller, der regelmäßig den Zoo besucht, zieht es vor, seine Tickets an der Kasse zu kaufen, fühlt sich aber in den letzten Jahren durch die fortschreitende Digitalisierung unter Druck gesetzt.
Aktuelle Umfrageergebnisse zur Digitalisierung im Alltag
Eine aktuelle Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach zeigte, dass etwa 30 Prozent der Deutschen über 65 Jahre Schwierigkeiten mit digitalen Dienstleistungen haben. Insbesondere Ältere fühlen sich oft unsicher im Umgang mit Online-Buchungssystemen und digitalen Zahlungsmethoden. Das führt in vielen Fällen dazu, dass sie Freizeitaktivitäten, wie den Bootsverleih, weniger häufig wahrnehmen. Auf der anderen Seite geben 65 Prozent der Befragten an, dass sie digitale Angebote grundsätzlich schätzen, solange diese benutzerfreundlich gestaltet sind.
In einer weiteren Umfrage von Statista im Jahr 2023 gaben 45 Prozent der 60- bis 70-Jährigen an, weniger aktiv an Freizeitangeboten teilzunehmen, weil sie sich mit den neuesten Technologien überfordert fühlen. Dies könnte auch die Motivation der Betreiber in Schweinfurt unterstreichen, neue Systeme einzuführen, um die Aufrechterhaltung und den Erhalt ihrer Dienstleistungen sicherzustellen, während sie gleichzeitig einer wachsenden Zielgruppe gerecht werden möchten.
– NAG