Neuste Recherchen des SWR bringen einen besorgniserregenden Strategiewechsel der Deutschen Bahn ans Licht: Die Pläne zur Digitalisierung von Stellwerken und Zugstrecken in Deutschland werden vorerst gestoppt. Dies sorgt für heftige Kritik seitens der Verkehrspolitiker, die den Rückschritt als inakzeptabel empfinden. Die Bahn selbst widerspricht vehement den Vorwürfen und betont, dass sie weiterhin an ihren Modernisierungsplänen festhält, jedoch unter bestimmten Voraussetzungen.
Ein internes Papier der Bahn verdeutlicht die Veränderungen: Die Deutsche Bahn plant, nur die Digitalisierungsprojekte fortzuführen, für die bereits vertragliche Verpflichtungen bestehen. Besonders im Fokus steht der zentrale Knotenpunkt Stuttgart, wo das digitale Zugleitsystem ETCS zum Einsatz kommen soll. Im Gegensatz dazu scheint die Digitalisierung auf Hauptstrecken, wie zwischen Köln und Frankfurt oder Hamburg und München, vorerst auf Eis zu liegen.
Scharfe Kritik vom Verkehrsminister
Winfried Hermann, Verkehrsminister von Baden-Württemberg, bestätigte die SWR-Recherchen und äußerte sich alarmiert über die Pläne der Bahn. Er fordert einen raschen Fortschritt, um die Deutsche Bahn ins 21. Jahrhundert zu katapultieren. Hermann hinterfragt die Verwendung von veralteter Technik aus den 90ern, die aus seiner Sicht nicht ausreicht, um die Anforderungen des modernen Bahnverkehrs zu erfüllen.
Hermann betont, dass bestehende Systeme nicht einfach „aufgehübscht“ werden können, um digital zu wirken. Die gravierenden Unterschiede zwischen der alten Technik und den notwendigen Innovationen sind offensichtlich, und Hermann warnt vor den finanziellen Folgen, die entstehen, wenn man nur teilweise in die Digitalisierung investiert.
Politische Reaktionen und Bedenken
Der CDU-Politiker Michael Donth beschrieb die neue Strategie als unzureichend. Seiner Meinung nach wird der Zugverkehr in Zukunft sowohl die analoge als auch die digitale Technologie benötigen, was zu enormen Komplikationen führen kann. Der Bedenken von Donth liegt darin, dass ohne ein vollständiges digitales System der Schienenverkehr ineffizient bleiben wird und die notwendige Modernisierung der Infrastruktur behindert wird.
Matthias Gastel, Verkehrsexperte der Grünen, äußert ebenfalls Kritik und fordert eine beschleunigte Investition in die Digitalisierung. Dabei hebt er hervor, dass digitale Signale weniger anfällig für Störungen seien und der Personalaufwand reduziert werden könnte. Engpässe bei der Rekrutierung von Fachkräften für die bestehende Technologie sind ein weiteres drängendes Problem, so Gastel.
Die Deutsche Bahn hat sich in einer Stellungnahme zu den Vorwürfen geäußert und versucht, die SWR-Recherchen zu entkräften. Ein Bahnsprecher erklärte, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre sowohl analoge als auch digitale Systeme eingesetzt werden, um die Modernisierung des Streckennetzes voranzutreiben. Dieser Schritt erfolgt laut Bahn, da die Entwicklung der digitalen Technologie immer noch nicht abgeschlossen ist und sie einen Gleichgewicht zwischen beiden Techniken suchen.
Das interne Strategiepapier wirft jedoch dennoch Zweifel auf, da es darauf hinweist, dass der Ausbau digitaler Technologien aus finanziellen Gründen initial gestoppt werden könnte. Diese Abweichungen zwischen der öffentlichen Darstellung der Bahn und dem internen Dokument werfen Fragen über die Zukunft des Schienenverkehrs in Deutschland auf.
Zusammenfassend zeigt sich, dass eine klare Unsicherheit im Umgang mit der Digitalisierung besteht. Während die Politik auf Fortschritt drängt, scheint die Deutsche Bahn momentan sowohl an Traditionen festzuhalten als auch sich gleichzeitig darauf zu verlassen, dass die digitale Technik sich irgendwann weiterentwickeln wird, was jedoch nicht für alle Experten als tragfähiger Plan erscheint.
– NAG